Selbständigkeit ins Ausland verlagern als Alternative wegen hoher Kosten und Risiken?

kopfschmerzen / krankenkasseDer recht interessante Artikel mit dem Titel „Ist Selbständigkeit noch eine sinnvolle Alternative?“ von Christoph Jehle, über denn ich heute Morgen eher zufällig gestolpert bin, greift viele Punkte auf, die Selbständigen, besonders „kleinere“ Selbständige das Leben sehr schwer macht.

Im Wesentlichen sind dies die Punkte:

1. Kosten durch die Krankenversicherung (Stichwort Mindestbeitragsbemessungsgrenze)
2. Potenzielles Risiko als Scheinselbstständiger eingeordnet zu werden
3. Kosten durch eine drohende Pflicht durch einen wie immer gelahrten Zwang zur Einbindung in die Rentenversicherungspflicht

Punkt 1 „Kosten durch die Krankenversicherung“ ist ja nicht unbekannt. Die Pflicht zur Krankenversicherung hat dazu geführt, dass viele Selbständige in eine Schuldenfalle geraten sind, da insbesondere kleinere Selbständige durch die recht hohen Abgaben diese nicht aufbringen konnten. Das Problem ist, dass gegen eine Krankenversicherung ja nichts einzuwenden ist, aber dass Beiträge dazu natürlich proportional zum Einkommen sein sollten, was dank Mindestbemessungsbeträge eben nicht der Fall ist. Was kommt heraus? Schieflagen, weil sich Menschen Gesetze ausdenken, die nicht mehr selber im Leben stehen und auch keine Ahnung davon haben, selber aber natürlich hervorragend abgesichert sind.

Punkt 2 „Scheinselbstständigkeit“ ist ein interessanter Punkt, denn dieses Thema ist sicher ein problematisches. Es ist ja durchaus gegeben, dass Unternehmen Menschen in die Quasi – Selbständigkeit bringen, um Sozialkosten zu sparen. Auf der anderen Seite erwähnt der Artikel aber auch, dass die Problematik bereits entstehen kann, wenn man einen „kleinen festen Kundenstamm“ aufgebaut hat. Nun, ich dachte eigentlich immer, je nach Branche, dass genau dies das Ziel vieler sei: ein fester Kundenstamm, natürlich überschaubar, damit man es auch handhaben kann, aber groß genug für stabile Einnahme. Fluktuation kommt vor, sollte aber möglichst klein sein. Mit Scheinselbständigkeit hat dies sicherlich nichts zu tun. Ist ein Webdienstleister scheinselbstständig, der 5-6 verschiedene Firmenwebseiten regelmäßig betreut? Je nach Umfang der betreuenden Seiten wäre es oftmals ohnehin kaum möglich, noch einen Kunden hinzuzunehmen.

Punkt 3 ist eigentlich ähnlich gelagert wie Punkt 1, nur dass es die Problematik eventuell noch verschärft, besonders wenn wiederum kein Bezug zum echten Einkommen gegeben sein sollte.

Um nicht missverstanden zu werden: auch bei Selbständigkeit muss man ein gewisses Mindesteinkommen erzielen, um dieses dauerhaft ausführen zu können. Eine Zahl anzugeben ist schwierig, je nach persönlicher Situation oder Wohnort, aber 1.200 – 1.500 netto sollte man schon anstreben, mehr ist immer gut :)

Aber Abgaben, welcher Art auch immer, müssen zum einen in einem gesunden Verhältnis zum Einkommen stehen und zweitens auch flexibel angepasst werden können.

Einfaches Beispiel: Die Einnahmesituation bricht ein, was bei jedem Selbständigen und auch Firmen schnell passieren kann:

  • Wegfall eines wichtigen Kunden
  • Rezession
  • Marktveränderungen

und schon geht es mit den Einnahmen herunter. Wenn gleichzeitig die Angabenhöhe auf einem unverändert (und oft unproportionalen) Niveau bleiben, entstehen sehr schnell große Probleme. Dies bedeutet aber nicht, dass die Selbständigkeit zwangsläufig gescheitert ist, sondern oft nur, dass der Selbständige Zeit braucht, um sich und sein Geschäftsmodell anzupassen. Um dies zu ermöglichen, sollte es unproblematisch (und ohne endlose Bürokratie und Offenbarungseide) möglich sein, die Angabenhöhe flexibel anzupassen, damit derjenige überhaupt eine Chance hat und eine Schuldenfalle vermieden wird. Im Zweifel profitiert auch der Staat, oder ist ein zukünftiger Hartz IV „Kunde“ eher wünschenswert? Siehe auch „Selbständiger kann Krankenkasse nicht bezahlen – was tun?

Machen wir uns nichts vor: die Rahmenbedingungen für Selbständige in Deutschland sind nicht gerade ideal und von der Politik, egal mit welcher Farbe, ist hier auch nicht viel zu erwarten, da offensichtlich kein Bewusstsein und Wille vorhanden ist.

Der erwähnte Artikel endet dann damit, dass nicht wenige Selbständige die Flucht in Länder antreten, die eben bessere Rahmenbedingungen anbieten. Tatsächlich kenne ich nicht wenige Selbständige, die das bereits getan haben und von Lettland bis Malta eben heimisch geworden sind. Denn was benötigen viele Selbständigen primär? Einen Internetanschluss! Ist dieser gegeben, so ist man oftmals sehr flexibel.

Als Beispiel für bessere Rahmenbedingungen sei das oftmals gescholtene Großbritannien erwähnt. Selbständige zahlen auch hier einen Beitrag in das dortige staatliche Krankenversicherungssystem (NHS). Ist ja auch i.O., denn wenn man verdient, sollte man auch seinen Anteil tragen. Nur: wer nichts verdient (oder wenig), der zahlt in dieser Phase keinen oder nur einen geringen Beitrag. Das Risiko wegen vorübergehender schlechter Einnahmen in eine Schuldenfalle zu geraten, wie in Deutschland möglich, ist dort nicht gegeben, zumindest nicht wegen der Krankenversicherung. Damit ist dem Betroffenen natürlich eine große Last genommen.

Seine Selbständigkeit in ein anderes Land zu verlagern ist natürlich ein großer Schritt: andere Sprache, andere Sitten, Gesetze und sollte von daher natürlich gut geplant und überdacht sein. Trotzdem ist es eine durchaus denkbare Alternative, wenn die Rahmenbedingungen für Selbständigkeit in Deutschland sich weiterhin verschlechtern und manche haben davon bereits Gebrauch gemacht.