Selbständig oder Scheinselbständig ist ein sehr aktuelles Arbeitsrecht-Thema, welches nicht nur Gesetzgeber und Sozialversicherungen beschäftigt, sondern natürlich auch vor allem Unternehmen und viele Selbständige/Freelancer, die mitunter in die Mühlen zwischen durchaus berechtigten Fragwürdigkeiten bei Beschäftigungsmodellen und individuellen Gegebenheiten kommen können.
Arbeitsrecht bei Selbständigen
Arbeitsrecht ist oft keine Fragestellung an die Solo-Selbständige und Freelancer auf Anhieb denken. Wer als Selbständiger bzw. Freelancer viele verschiedene und wechselnde Kunden hat oder ein Geschäftsmodell hat, bei dem einzelne Kundenbeziehungen nicht im Vordergrund stehen wie bei einem Online-Shop Anbieter, der wird normalerweise keine Probleme mit Fragen wie Scheinselbständigkeit bekommen. Probleme können aber entstehen, wenn man nur für sehr wenige Kunden oder sogar vor allem für nur einen Kunden arbeitet. Dies dürfte besonders bei vielen Freelancern im IT- und Beratungsbereich, zumindest für bestimmte Zeiträume, nicht selten der Fall sein. Probleme können hier entstehen, wenn die Rentenversicherung davon ausgeht, dass es sich bei der eigenen Tätigkeit nicht mehr um eine selbständige Tätigkeit, sondern in Wirklichkeit um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Hintergrund (und Hauptverursacher der Problematik) ist natürlich, dass es tatsächlich Unternehmen gibt, welche Arbeitsverhältnisse „auslagern“, um insbesondere Sozialversicherungsabgaben zu sparen.
Die Problematik der Abgrenzung zum Beschäftigungsverhältnis
Hier kann es besonders für Freelancer schwierig werden, die längerfristige Projektarbeiten für einen Kunden annehmen. Schon alleine aus Zeitgründen, aber auch wegen der Intensität, werden Freelancer oftmals für nur wenige oder auch mal nur für einen Kunden über eine bestimmte Zeit arbeiten. Wichtig ist schon bei Abschluss einer Vereinbarung auf bestimmte Kriterien zu achten, sodass eine klare Abgrenzung zu einer abhängigen Beschäftigung sichergestellt ist.
Die Höhe des Honorars gilt hier als ein wichtiges Kriterium. Dieses sollte in der Regel spürbar über dem normalen Lohn eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegen. Hierzu gibt es auch ein Urteil des Bundessozialgerichts mit der Entscheidung am 31. März 2017 hier, wobei hier aber „Die Gesamtwürdigung der Umstände“ in diesem Fall genannt werden und so wird die Honorarhöhe als einziges Merkmal im Zweifelsfall bei einem Konflikt mit der Rentenversicherung zur Bewertung nicht ausreichen.
Weitere wichtige Merkmale sind dann auch die Frage der Einbindung in die internen Geschäftsabläufe des jeweiligen Auftraggebers, kritisch wäre hier z. B. die konkrete Einbindung in Schichtpläne oder wiederkehrend in den täglichen Arbeitsablauf. Bedeutend sind auch Faktoren wie die Weisungsfreiheit des Selbständigen/Freelancers, die Anzahl der konkreten Stunden vor Ort, freie Zeiteinteilung und eine klar definierte Projekt- und Leistungsbeschreibung. Selbstverständlich sollten auch Ansprüche nicht wahrgenommen werden, die typischerweise Beschäftigten zugeordnet werden, wie etwa Betriebsrentenansprüche.
Dies bedeutet, dass schon vor Projektannahme sorgfältig geprüft werden muss, ob die Formulierungen bei den jeweiligen Dienst-/Werkverträgen zu Problemen bei der Abgrenzung zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung führen können. Im Grundsatz kann man immer die Frage stellen, unterscheidet sich die Tätigkeit als Freelancer für ein Unternehmen noch deutlich von der eines Beschäftigten? Oder auch die Frage, ob man noch in der Lage ist, sich selbst auf dem Markt für andere Kunden und Projekte anzubieten. Insbesondere bei Projekt-Ausschreibungen, die sich vom zeitlichen Umfang als auch von der inhaltlichen Ausgestaltung her nicht von einer normalen Stellenausschreibung unterscheiden, sollte man extrem vorsichtig sein.
Im Zweifel Rat bei Fragen zum Arbeitsrecht einholen
Die Fragestellungen zu diesem Thema sind aber teilweise sehr komplex und können sowohl Unternehmen als auch Projektnehmer vor erhebliche Schwierigkeiten stellen, zumal Abgrenzungen nicht immer einfach sind und nicht selten auch eine „Interpretationssache“ darstellen. Gerade bei längerfristiger Projektvergabe kann es daher für Unternehmen und Freelancer lohnen im Zweifel vorab rechtliche Beratung etwa durch einen Anwalt, der sich auf Arbeitsrecht spezialisiert hat, einzuholen, um unangenehme und teure Überraschungen zu vermeiden.
Die Problematik der Scheinselbständigkeit führt zu Problemen bei Unternehmen, die berechtigterweise zeitweise externe Expertise an Bord holen möchten. Sie kann aber auch das Recht des Selbständigen / Freelancers auf sein Lebens- und Berufsmodell erheblich beeinträchtigen. Gerade Freelancer, die häufig für wenige oder nur einen Kunden und dies vielleicht sogar auch noch langfristig arbeiten, sollten immer einen Blick auf diese nicht ganz einfache Thematik haben.